Veggieday, die Geschichte
Laut Wikipedia hat Bremen im Januar 2010 als erste Stadt in Deutschland den fleischfreien Donnerstag eingeführt. Im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2013 wollten die Grünen den Veggieday als Standard einführen. Andere Parteien und besonders die Medien „zerfleischten“ damals die Grünen.
Dabei wäre der fleischfreie Tag nichts Neues: noch bis vor rund 15 Jahren war es üblich, hier bei uns im katholisch geprägten Südtirol freitags kein Fleisch (auch keine Wurst, Speck u.ä.) zu essen. Sogar in den öffentlichen Mensen und der Schulausspeisung war der Freitag „Fasttag“ und es gab „nur“ was Vegetarisches und/oder Fisch. Bis in die 70er Jahre waren der Sonntagsbraten oder das Wiener Schnitzel zu Mittag eine Institution. Damals war Fleisch noch ein Luxusgut, auch bei den Bauern. Unter der Woche gab es meist Knödel, Polenta, Kartoffeln, Gemüse, etwas Speck aber wenig Fleisch. Fleisch zu essen, hatte mit Wohlstand zu tun, bedeutete „man kann es sich leisten“.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass mein Vater (Jahrgang 1938) täglich Fleisch essen wollte, meist sogar mittags und abends - und am Nachmittag Speck und Wurst. Er war eines von zehn Kindern auf dem Kröbelmühlhof in Steinegg. Wie so viele Familien waren sie sehr arm, das Essen reichte hinten und vorne nicht. Als ein neues Geschwisterchen auf die Welt kam, war der Gedanke der anderen Kinder: “Schon wieder so ein kleiner Schreier, mit dem wir das Essen teilen müssen“. „Dem Esel haben wir das Fressen abgewöhnt, als er daran gewöhnt wer, nicht mehr zu fressen ist er leider gestorben“ hat er oft augenzwinkernd erzählt. Etwas weniger Fleisch hat er in seinen letzten Lebensjahren gegessen, als ihn die Gicht geplagt hat. Mein Vater (auch Sonjas Vater) ist an Krebs gestorben, und ich glaube, der hohe Fleischkonsum hat dazu beigetragen. Mittlerweile ist ja wissenschaftlich erwiesen, dass z.B. das Darmkrebsrisiko mit der Menge an verzehrtem Fleisch steigt.
In der Gastronomie ist es fast nicht möglich, völlig fleischfrei zu essen, sogar im Nachtisch oder im Wein steckt in Form von Gelatine indirekt Fleisch. Unser Sohn Thomas ist seit 4 Jahren Vegetarier, Tochter Lisa seit 2 Jahren (und seit 1 Jahr vegan) und beim auswärts Essen ist es leider schwierig, etwas anderes als die Klassiker Knödel oder Grillgemüse mit Käse zu bekommen.
Die Vorteile der fleischlosen Ernährung
Vegetarische Ernährung ist gesünder. Das Risiko, an Überernährung, Bluthochdruck, Diabetes, Herzkrankheiten und Darmkrebs zu erkranken, ist deutlich geringer.
Mehr Infos
Ethische Gründe, Massentierhaltung: der Großteil der Tiere wird nicht artgerecht in großen Betrieben auf engstem Raum gehalten, Millionen Küken werden geschreddert. Tiere werden nicht als Lebewesen, sondern als Ware behandelt.
Der CO2-Fußabdruck der Tiere: 14.5% der globalen Treibhausemissionen stammen aus der Tierzucht.
Umweltzerstörung: der stete Fleischkonsum verlangt nach immer größeren Flächen für Tierfutteranbau. Abholzung der Regenwälder, der verstärkte Einsatz von Spritzmitteln (erlaubt oder nicht erlaubt), Wasserverbrauch und die Vertreibung indigener Völker sind die Folgen.
Antibiotika: 73% aller weltweit verkauften Antibiotika wird für Tiere verwendet
Auslösen von Pandemien: Corona, BSE, Sars, Nipah-Virus, Vogelgrippe, Tollwut um nur einige zu nennen.
Verschwendung: 2016 gingen weltweit 11,9% der Fleischproduktion zwischen Schlachtung und Einzelhandel verloren. Das sind 8,7 Milliarden Tiere, pro Jahr!
Quelle: der Fleischatlas 2021
Der Biohotel Steineggerhof Veggieday
2018 haben wir unsere Betriebsführung auf ökologisches Wirtschaften intensiviert und dabei die Idee des Veggiedays aufgegriffen.
Wir als Küchenteam sind also frohen Mutes gestartet, haben neue Gerichte entwickelt um eine „ordentliche Hauptmahlzeit“ ohne Fleisch auf den Tisch zu bekommen. Die ersten Veggiedays kamen bei einigen (wenigen) Gästen nicht so gut an, obwohl es immer die Möglichkeit gibt, Fleischgericht zu ordern. Dabei ging es weniger um das Essen selbst, sondern ums Prinzip: man will uns etwas vorschreiben bzw. etwas verbieten. Aber wir haben nicht aufgegeben und haben es durchgezogen – naja nicht immer ganz so konsequent wie geplant, je nach Gästeschicht, z.B. im Herbst bei Seniorengruppen. So wie die Grünen 2013 mit ihrem Vorschlag hatten auch wir anfangs am Veggieday hart zu knabbern, besonders das Serviceteam war gefordert. Es ist dann doch ein Unterschied, ob man in der Küche am Herd steht oder direkt mit den Gästen in Kontakt ist. Die Leute sind ja ganz verschieden: die einen sind ganz offen für Neues, andere bleiben lieber beim Altgewohnten – und jede Kritik nimmt man sich zu Herzen!
Der Veggieday entwickelte sich von Jahr zu Jahr besser. Zu Beginn bestellten unsere Gäste pro Veggieday ca. 10-15 Portionen Fleisch (auf ca. 50 Gäste), 2020 waren es keine 30 Portionen in der Saison (zugegeben die Saison 2020 war Corona bedingt sehr kurz)!
Man möchte meinen, dass die Einführung eines fleischlosen Tages kein Problem sein sollte. Heute, 2021, ist das sicher einfacher als vor drei Jahren. Corona und die Skandale in den Schlachthöfen, haben viele Menschen aufhorchen lassen. Massentierhaltung ist dann doch nicht so sexy, wie uns das die Industrie verkaufen möchte.
Nach und nach stellten wir unsere Küche auf eine vegetarische Küche um, wir machen es im Vergleich zu klassischen Hotels genau umgekehrt: Fleisch gibt es nur noch als Wahl neben einem vegetarischen Gericht zur Hauptspeise. Ausnahmen gib es bei unserem hausgemachten Speck, den wir als Vorspeise servieren und am Frühstücksbuffet, da gibt es gekochten oder geräucherten Schinken, Salami und verschiedene Wurstsorten. Seit 2019 verzichten wir auch auf Fisch, den es in Südtirol nicht als Bioware zu kaufen gibt. Fisch sollte man unserer Meinung nach (wenn überhaupt) dort essen, wo er fangfrisch ist.
Vegetarisch zu kochen ist für uns eine Herausforderung, ein Wettkampf, denn wir möchten unseren Gästen beweisen, dass vegetarische Gerichte besser als Fleischgerichte schmecken können.
Das ganze Steineggerhof Küchenteam hat sich in den letzten Jahren unglaublich weiterentwickelt. Vegetarisch zu kochen lernt man nicht in der Schule, das muss man sich alles selbst beibringen. Heute finden es unsere Gäste toll, wenn sie auf unserer Webseite lesen, dass es einen Veggieday gibt und dass wir vegetarisch kochen. Das freut uns und macht uns auch ein wenig stolz.
Einige Tipps, wie man den Veggieday im eigenen Betrieb einführen kann
Informiere dich über vegetarische Gerichte in Blogs und Büchern (siehe weiter unten).
Motiviere das Küchenteam, vegetarisch und vegan zu kochen. Ohne gute vegetarische Gerichte scheitert der Veggieday, daher ist das Küchenteam der Hauptakteur beim Veggieday. Vegetarische Gerichte sind bei der Zubereitung oft aufwändiger als klassische Fleischgerichte, besonders wenn man verstärkt auf saisonale und regionale Produkte zurückgreift.
Der Service muss über den Veggieday bestens Bescheid wissen, muss alle Gerichte kennen und vom Veggieday überzeugt sein. Jedes Gericht braucht eine kleine Geschichte z.B. Gericht mit frischen Kräutern aus dem eigenen Garten, Zutaten vom Biobauern oder vom Bauern aus dem Ort, null Kilometer, Zero Waste, Farm to Table, viele Proteine usw.
Fleisch muss als Option extra bestellbar sein: wir wollen den Gast informieren und sensibilisieren, aber ihn zu nichts zwingen.
Als idealer Tag empfehle ich den Dienstag oder Mittwoch. Die meisten Gäste reisen am Wochenende an und werden in den ersten Tagen mit klassischen Menüs mit der Küche vertraut gemacht. Anfangs hatten wir am Montag den Veggieday eingeplant, da glaubten manche Gäste, dass sie die ganze Woche kein Fleisch bekommen. Seit wir am Dienstag den Veggieday anbieten, läuft alles etwas entspannter ab. Absolut wichtig ist es auch zu kommunizieren (auf der Morgenpost und im Gespräch), warum das gemacht wird. Wenn dem Gast die vegetarischen Gerichte schmecken, wird er auch in Zukunft öfters die fleischfreien Speisen probieren.
Für den Betrieb wirkt sich die Reduzierung der Fleischprodukte sich natürlich auf den günstigeren Wareneinkauf aus und die gesamte Klimabilanz fällt besser aus.
Die Gegenwart
Südtirol hat 2018/19 33,6 Millionen Übernachtungen generiert, würde jeder Betrieb an einem Tag kein Fleisch anbieten, dann würden theoretisch 4,8 Millionen Portionen Fleisch pro Jahr wegfallen, oder 4.800 Kälber weniger sterben. Südtiroler generieren natürlich auch Nächtigungen: 193,45 Millionen. Berechnet auf 130g Fleisch pro Person ergeben sich folgende Zahlen:
|
|
Fleischgewicht/Tier |
So viele Tiere essen |
|
|
Viehbestand |
Tag |
Tier |
in Gramm |
Touristen |
Südtiroler |
Total |
Südtirol 2019 |
|
|
|
|
|
|
|
Montag |
Kalb |
130.000 |
4.800 |
27.600 |
32.400 |
|
Dienstag |
Rind |
250.000 |
2.496 |
14.352 |
16.848 |
126.000 |
Mittwoch |
Huhn |
1.600 |
390.000 |
2.242.500 |
2.632.500 |
245.000 |
Donnerstag |
Lamm |
9.000 |
69.333 |
398.667 |
468.000 |
65.500 |
Freitag |
Truthahn |
14.000 |
44.571 |
256.286 |
300.857 |
|
Samstag |
Schwein |
90.000 |
10.400 |
59.800 |
70.200 |
9.267 |
Sonntag |
Fisch |
390 |
800.000 |
4.600.000 |
5.400.000 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Tiere pro Jahr essen |
|
|
|
|
|
|
Touristen |
Einheimische |
Total |
Total |
|
|
|
1.321.601 |
7.599.204 |
8.920.805 |
445.767 |
Diese Statistik sollte nur als grober Richtwert dienen. Pro Wochentag habe ich ein Tier gewählt, beim Fisch habe ich die Hälfte vom Gewicht genommen und beim Schwein dazu gerechnet. Lamm wird sicher auch weniger gegessen, Hühner dafür mehr.
Die Zahlen ändern sich je nach Gewicht der Tiere, ich habe versucht einen Durchschnitt zu wählen. Bei den Fischen wirken sich Abweichungen am deutlichsten aus, essen wir nur die Hälfte der Fische (habe ich so berechnet), dann sind das gleich 5 Millionen Tiere weniger!
In Mitteleuropa essen die Menschen 60 kg Fleisch pro Jahr, das sind 164 g pro Tag, ich habe nur 130g gewählt.
Realistisch sind wahrscheinlich 6-7 Millionen Tiere die in Südtirol gegessen werden. Eine Zahl, die uns schon zu bedenken geben sollte. Mit dem Veggieday könnten wir ca. eine Million Tiere am Leben lassen. Beim reinen Sonntagsbraten würden wahrscheinlich 6 Millionen Tiere am Leben bleiben. Rechnet man Gülle, Tierleid, CO2 Ausstoß, Flächenverbrauch, Spritzmittel und Antibiotika zusammen, dann kommen sicher erschreckende Zahlen heraus.
Zum Viehbestand in Südtirol: Es werden nur Rinder und Geflügel erfasst. Quelle Provinz Bozen Agrar-Forstbericht. Würde jeder Südtiroler, ohne Touristen, nur einheimisches Fleisch essen, dann bleiben pro Person nur noch ca. 500g, maximal 1 Kg Fleisch pro Person und Jahr übrig. Dann hätten wir allerdings alle Tiere aufgegessen und es gäbe keine Milch und Käse mehr. Wenn wir aber 60 Kg Fleisch essen, woher kommt dann das ganze Fleisch? Wohl oder übel aus der Massentierhaltung!
Die Zukunft
Die „Friday for Future“-Bewegung, Meldungen über Skandale in der Fleischindustrie und Coronapandemie haben bei vielen Menschen bewirkt, sich mehr über die Zukunft unseres Planeten Gedanken zu machen. Vegetarier und Veganer gibt es immer mehr - und das in allen Gesellschaftsschichten. Bereits 10% der Bevölkerung in Deutschland ernährt sich vegetarisch, bei den 15- bis 29-Jährigen ist der Anteil sogar doppelt so hoch, Tendenz stark steigend. Gastronomische Betriebe, die diesen Trend nicht erkennen, werden in Zukunft einen Wettbewerbsnachteil haben.
Bei uns im Biohotel Steineggerhof hat die Umstellung auf vegetarische Gerichte auch seine Spuren hinterlassen. Besonders gemerkt haben wir das, seit wir Mitglied bei den Biohotels sind. Biohotel-Gäste haben zu Ernährungs- und Umweltthemen einen ganz anderen Zugang. Sich vegetarisch zu ernähren ist für viele normal.
Womit wir anfangs nicht so gerechnet haben, ist dass bald auch viele Veganer zu uns gekommen sind. Für uns in der Küche war es bald einfacher, für alle Gäste vegan zu kochen, das hat sich einfach so ergeben. Ende 2020 sind wir dann darauf gekommen, dass wir eigentlich 70% aller Gerichte vegan kochen. Wir denken, dass viele Gäste diese Speisen nicht so genossen hätten, wären sie als „vegan“ gekennzeichnet worden: viele verbinden vegane Küche nur mit Tofu, Analogkäse und fadem „Grünzeug“. Auffallend war, dass wir noch öfters nach Rezepten gefragt wurden und so entstand die Idee zu einem veganen Kochbuch. Bis Ostern 2021 wird unser veganes Kochbuch bei uns und online erhältlich sein.
Abschließend möchte ich allen hier Mut machen, sich vermehrt vegetarisch oder sogar vegan zu ernähren. Wer auf Fleisch nicht verzichten will, sollte es reduzieren und nur bestes Biofleisch aus der Region kaufen. Tierwohl, mehr Umweltschutz und mehr Gemeinwohl, eine enkeltaugliche Zukunft – alles startet mit kleinen Schritten.
Kurt
Biohotel Steineggerhof
Südtirol
Kochbücher für vegetarische Küche
Aroma Gemüse, der Weg zum perfekten Geschmack von Vierich und Vilgis
Das große Gemüse Kochbuch von Köthe und Ollech
Vegetarische Sommerküche von Paul Ivic
Vegetarische Winterküche von Paul Ivic
Für die vegane Küche empfehle folgende Kochbuch
Die vegane Kochschule von Sebastian Copien
Vegan Masterclass die größte vegane Onlineschule von Sebastian Copien
oder unser veganes Kochbuch Biohotel Steineggerhof
Sehr zu empfehlen:
der Fleischatlas 2021
Fleisch Rechner